Marktkommentar Juni Erstellt am  7. Juni 2023
Goldnachfrage verharrt auf hohem Niveau
Im Jahr 2022 erreichte der Goldmarkt bei Durchschnittspreis und Nachfragevolumen Rekordmarken. Für das laufende Jahr sieht es ähnlich gut aus für Gold – obwohl sich einiges ändern dürfte. Warum es keine gute Idee wäre, das Edelmetall nicht im Vermögensbestand zu haben.
Aktuelle Markteinschätzung von Önder Çiftçi, CEO der Ophirum Group
Frankfurt am Main, 07. Juni 2023 – Das Jahr 2022 war für Gold und Goldanleger rekordverdächtig. Die Nachfrage der Goldkäufer war so hoch wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Der Goldpreis lag mit einem Jahresdurchschnitt von rund 1.800 US- Dollar pro Feinunze so hoch wie nie – trotz eines schwächeren vierten Quartals und Gegenwind durch einen hohen Dollarpreis und steigenden Zinsen weltweit. Das geht aus den Daten des World Gold Council hervor, dem Interessenverband der Goldindustrie.

Die hohe Nachfrage nach dem Edelmetall in 2022 hatte verschiedene Ursachen, die auch Rückschlüsse und Prognosen zur weiteren Entwicklung im laufenden Jahr zulassen. Das hohe Nachfrageniveau von 4.741 Tonnen Gold, ein Plus von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr, erreichte fast den Stand des Ausnahmejahres 2011, als die Folgen der Finanzkrise und die damit verbundene Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone die Finanzmärkte in Angst und Schrecken versetzten. 2022 gab es keine derartige Zukunftsangst. Doch gegen Jahresende setzten viele Akteure auf ein vorzeitiges Ende der Zinserhöhungen der großen Notenbanken, die eine Folge des Ukraine-Krieges und der damit verbundenen zunehmenden Inflation waren. Dadurch nahm die Goldnachfrage weiter Fahrt auf, vor allem im vierten Quartal 2022 erreichte sie Rekordhöhe.
Notenbanken hatten den größten Bedarf
Der größte Abnehmer von Gold ist die weltweite Schmuckindustrie. Deren Nachfrage ging auf Jahressicht leicht zurück, blieb aber mit 2.086 Tonnen weiter robust. Die Investmentnachfrage, der zweitgrößte Posten, stieg insgesamt um zehn Prozent, die Käufe von Barren und Münzen legten um zwei Prozent zu. Gold-ETFs hingegen erlitten weiter Nettoabflüsse, allerdings verlangsamten sich diese im Vergleich zum Jahr davor.

Wesentlich getragen wurde der Nachfrageboom im vergangenen Jahr aber von den Notenbanken. Deren Nachfrage stieg gegenüber 2021 auf das Zweieinhalbfache auf insgesamt 1.336 Tonnen. Es war der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 1950. Vor allem China und die Türkei standen auf der Käuferseite – offenbar getrieben von den geopolitischen Risiken und der Inflation. Gold hat für Notenbanken den Vorteil, dass es in Krisenzeiten für Stabilität sorgt und es gleichzeitig als langfristig werterhaltender Vermögenshort dient.
Aussichten für Gold auf hohem Niveau
Dass die Notenbanken weiter auf diesem hohen Niveau Gold kaufen, ist nicht anzunehmen. Erst vor zwei Jahren war die Goldnachfrage der Notenbanken auf einem Rekordtief. Dass die Rekordkäufe anhalten, ist daher historisch betrachtet eher unwahrscheinlich, selbst wenn Notenbanken dem Edelmetall weiterhin positiv gegenüberstehen. Einige Notenbanken dürften in diesem Jahr weniger Mittel für Goldkäufe zur Verfügung haben, sodass mit einer moderateren Nachfrage der Notenbanken zu rechnen ist. Darüber hinaus bleiben Prognosen hier besonders schwierig, weil die meisten ihrer Transaktionen gar nicht oder erst mit großer Verzögerung gemeldet werden. Da Notenbankkäufe häufig auch eine politische Entscheidung sind, ist die Prognoseunsicherheit in diesem Bereich besonders hoch.

Dafür ist ein Nachfrageplus bei ETFs durchaus wahrscheinlich. Die Nachfrage institutioneller Anleger hatte sich schon 2022 positiv entwickelt, obwohl der Dollarwechselkurs und die Zinsen hoch waren. Außerdem haben die ersten Monate des laufenden Jahres den Goldpreis wieder nah an sein Allzeithoch gebracht. Daraus lässt sich schließen, dass das Interesse der Profianleger wieder erwacht ist. Bleibt der Dollarkurs wie zuletzt niedrig und nehmen die Rezessionsängste und geopolitischen Risiken wie derzeit in den USA und in Europa weiter zu, dürften die institutionellen Anleger vermehrt bei Gold zugreifen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, wann diese Gemengelage erneut auftritt, die Investoren umschichten und Gold-ETFs wieder von Nettozuflüssen berichten.
Nachholbedarf in Asien
Zusätzliche Hoffnung macht die Schmuckherstellung. Der Nachholkonsum nach Chinas Wiedereröffnung dürfte beim Goldschmuck erst noch ankommen. Auch aus Indien ist eine steigende Nachfrage zu erwarten, da das Land unter steigenden Lebensmittelpreisen auf dem Land leidet und das Jahr mehr glücksbringende Hochzeitstage bereithält als 2022. Goldschmuck ist bei indischen Trauungen die traditionelle Mitgift und typisches Hochzeitsgeschenk. Gebremst wird die Schmucknachfrage aber noch von einem hohen Goldpreis in indischer Rupie, der in den ersten Monaten des Jahres noch weiter gestiegen ist. Gibt er wie in den vergangenen Wochen weiter nach, dürfte das die Nachfrage beflügeln.

Unter dem Strich erscheinen die Chancen für Gold in 2023 insgesamt höher als die Risiken. Da Gold aber vor allem eine Versicherung bei Krisen und idealer Wertaufbewahrungsspeicher ist, sollte jeder Anleger zu jeder Zeit einen Anteil zwischen fünf bis zehn Prozent seiner Vermögenswerte in Gold anlegen. Nicht von ungefähr sind die Goldreserven der Notenbanken zuletzt kräftig angestiegen.
Über den Autor
Önder Çiftçi ist Gründer und Geschäftsführer der Ophirum GmbH. Vor der Gründung des bankenunabhängigen Anbieters von Edelmetallen im Jahr 2010 war er bei verschiedenen Banken in führender Position tätig.

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