Gold eilt seit Monaten von einem Rekordhoch zum nächsten
weitaus schwächer präsentiert sich indes Platin. Während sich das weiße Edelmetall seit Beginn dieses Jahres unter hohen Schwankungen nur seitwärts bewegte, hat Gold um rund 25 Prozent an Wert zugelegt. Inzwischen ist die Preisdifferenz mit knapp 1.600 Dollar je Feinunze so groß wie nie zuvor. Die schwache Wertentwicklung von Platin gegenüber Gold spiegelt sich auch im Gold-Platin-Verhältnis wider. Lag diese Relation zwischen 2004 und 2018 noch bei rund 0,7, so liegt sie aktuell unter 0,4.
Abschreiben sollten Anleger Platin aber nicht, gibt es doch gleich mehrere gute Gründe, weshalb Platin nun Boden gutmachen könnte. Ein Blick auf die fundamentalen Rahmenbedingungen etwa zeigt, dass sich der Abstand zu Gold bald verringern dürfte. Laut der am Dienstag vergangener Woche veröffentlichten Prognose des World Platinum Investment Council weist der Platinmarkt nach 2023 auch in diesem Jahr ein Angebotsdefizit auf. Die Schätzungen basieren auf Zahlen des auf Edelmetalle spezialisierten Londoner Research-Unternehmens Metals Focus.
Der Versorgungsengpass soll in diesem Jahr nicht nur mehr als doppelt so hoch ausfallen als bislang erwartet, er könnte mit 1,03 Millionen Unzen auch ein Rekordniveau erreichen. Schon im vergangenen Jahr hatte die Nachfrage das Angebot um 731.000 Unzen übertroffen. Das deutlich höhere Defizit resultiert neben dem rekordtiefen Angebot vor allem aus der deutlich nach oben korrigierten Nachfrageprognose, die um 530.000 Unzen höher liegt als bisher angenommen.
Platinmarkt bleibt angespannt
Haupttreiber ist die Nachfrage der Investoren. Laut dem World Platinum Investment Council (WPIC) werden die Platin-ETFs in diesem Jahr deutliche Nettozuflüsse verzeichnen. Bislang ging die Interessenvertretung der weltweiten Platin-Industrie davon aus, dass die internationalen Investoren ihre Engagements zurückfahren würden. Im zweiten Quartal stieg die Anlegernachfrage aber aufgrund eines erheblichen Zuflusses von 444.000 Unzen in börsengehandelten Platinfonds auf den höchsten Stand seit dem dritten Quartal 2020.
Darüber hinaus verzeichnet das WPIC ein starkes Nachfrage-Wachstum nach Barren und Münzen in China – allen voran bei Barren mit einem Gewicht von mindestens 500 Gramm. Für das Gesamtjahr 2024 erwarten die Experten in diesem Segment ein Wachstum von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 188.000 Unzen. Auch Platinschmuck ist zunehmend begehrt. Die hohen Goldpreise führten dazu, dass die weltweite Nachfrage erstmals seit dem vierten Quartal 2021 die Marke von einer halben Million Unzen überstieg.
Die gesamte Platinnachfrage belief sich zwischen Anfang April und Ende Juni auf 2,421 Millionen Unzen und lag damit 13 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Da gleichzeitig das Angebot um vier Prozent auf 1,958 Millionen Unzen zurückging, ergab sich im zweiten Quartal ein Marktdefizit von 463.000 Unzen.
Abwärtsrisiken für die Produktion
Neben den Investoren fragt vor allem die Industrie – und hier in erster Linie die Automobilbranche – das schimmernd weiße Edelmetall nach. Platin, das in der Erdkruste etwa 30-mal seltener vorkommt als Gold, wird nicht nur für Katalysatoren benötigt, sondern auch zur Gewinnung von Wasserstoff mittels Elektrolyseuren und zur Herstellung von Brennstoffzellen. Die Nachfrage der Autobauer wird in diesem Jahr laut der jüngsten Prognose des WPIC ein Siebenjahreshoch erreichen und gegenüber dem Vorjahr um ein Prozent auf 3,237 Millionen Unzen ansteigen.
Unterstützung erhält Platin zu guter Letzt von den internationalen Notenbanken. Nachdem die Europäische Zentralbank in der vergangenen Woche zum zweiten Mal seit Juni die Leitzinsen gesenkt hat, zog nun auch die US-Notenbank nach. Die Optionsmärkte preisen inzwischen weitere Zinssenkungen um 120 Basispunkte bis zum Jahresende ein. Im Juni kommenden Jahres werden die US-Leitzinsen nur noch bei drei bis 3,25 Prozent gesehen. Da Platin keine regelmäßigen Erträge wie Zinsen oder Dividenden abwirft, könnte sich dies positiv auf die Preisentwicklung auswirken.