Nach der kräftigen Korrektur, die auf das Mitte Oktober erreichte Rekordhoch von rund 54,50 Dollar je Feinunze folgte, präsentiert sich Silber nun wieder in prächtiger Verfassung
Nach einem zwischenzeitlichen Rücksetzer unter 47 Dollar gelang dem Edelmetall zuletzt wieder der Sprung über die 50-Dollar-Marke. Und: Mut macht vor allem, dass die fundamentalen Treiber weiterhin intakt sind. Der Reihe nach.
Ein zentraler Faktor ist struktureller Natur: Die Nachfrage aus der Industrie liegt seit Jahren konstant über dem Angebot, das vor allem in Silberminen gewonnen wird. Die Lücke wird zwar teilweise durch verstärktes Recycling geschlossen – dieses ist zuletzt um 24 Prozent gestiegen –, doch vollständig ausgeglichen wurde das Defizit in den vergangenen fünf Jahren nie. Und auch für 2025 erwarten Marktbeobachter ein Angebotsdefizit – und zwar von rund 187 Millionen Unzen. Das liegt auch daran, dass die Angebotsseite vergleichsweise unflexibel ist, heißt: Silber wird meist als Nebenprodukt anderer Metalle gefördert, sodass selbst höhere Preise die Produktion nur begrenzt steigern.
Hinzu kommt die wachsende strategische Bedeutung von Silber. Im vergangenen Jahr entfielen rund 58 Prozent der globalen Silbernachfrage auf industrielle Anwendungen – so viel wie bei keinem anderen Edelmetall. Dieses strukturelle Wachstum basiert vor allem auf der enormen Relevanz von Silber für Zukunftstechnologien: In der Photovoltaik ist das Metall ein unverzichtbares Schlüsselmaterial für den Bau moderner Solarzellen, während die zunehmende Elektrifizierung im Zuge der Energiewende für einen zunehmenden Bedarf im Energiesektor sorgt.
Steigende Zuflüsse in ETFs
Auch Windkraftanlagen, High-End-Elektronik, Elektrofahrzeuge und die Halbleiterproduktion für Künstliche Intelligenz treiben den Verbrauch kontinuierlich nach oben. Dank seiner einzigartigen elektrischen und thermischen Eigenschaften ist Silber für leistungsfähige Bauteile in diesen Bereichen alternativlos. Die Kombination aus technologischer Dynamik, Dekarbonisierung und Digitalisierung sorgt dafür, dass das industrielle Nachfragewachstum bei Silber deutlich kräftiger ausfällt als bei anderen Edelmetallen – und das verleiht dem Metall eine immer größere wirtschaftliche und geopolitische Relevanz.
Silber wird indes nicht nur als technisches Industriemetall betrachtet, sondern auch zunehmend als Investment, das eine strategische Rolle im Portfolio einnimmt. Die Zuflüsse in Silber-ETFs waren zuletzt außergewöhnlich hoch. Im Oktober verzeichnete allein der größte Silber-ETF weltweit, der iShares Silver Trust, an einzelnen Handelstagen mehr als 500 Millionen Dollar an frischem Kapital. Seit Jahresbeginn summieren sich die Zuflüsse auf 1,9 Milliarden Dollar; im ersten Halbjahr 2025 entsprachen sie rund 95 Millionen Unzen Silber.
Trotz der Rallye in diesem Jahr ist Silber im langfristigen Vergleich günstig bewertet. Dies signalisiert zumindest das Gold-Silber-Verhältnis, das mit aktuell 81 deutlich über dem historischen Durchschnitt von 65 liegt.
Zinssenkungserwartungen geben Auftrieb
Ein weiterer stützender Faktor ist die Aussicht auf eine expansivere US-Fiskalpolitik unter Donald Trump, verbunden mit einer steigenden Neuverschuldung und einem schwächelnden Dollar. Seit Jahresbeginn ist der Dollar-Index bereits um rund 8 Prozent gesunken. Er misst den gewichteten Mittelwert der Wechselkurse der US-Währung zum Euro, japanischen Yen, britischen Pfund, kanadischen Dollar, schwedischen Krone und Schweizer Franken. Ein schwächerer Greenback macht das in der US-Währung gehandelte Edelmetall für Investoren außerhalb des Dollarraums günstiger – und stärkt damit die Nachfrage.
Ein zusätzlicher Impuls könnte von der US-Notenbank kommen: Die Federal Reserve hat angekündigt, ihr seit 2022 laufendes „Quantitative Tightening“ zu beenden. Seither hatte sie über 2,2 Billionen Dollar an Liquidität abgezogen – nun kehrt erstmals wieder ein neutralerer Kurs ein. Zugleich stehen die Zeichen auf weitere Zinssenkungen durch die Federal Reserve, die sich zuletzt mit enttäuschenden Konjunkturdaten verstärkten: Das Konsumklima in der größten Volkswirtschaft der Welt hat sich unerwartet stark verschlechtert. Ein von der Universität Michigan erhobener Indikator für die Konsumlaune im November ist spürbar gefallen. Da Silber keine Zinsen abwirft, könnte die zunehmende Spekulation auf weiter sinkende US-Zinsen dem Edelmetall zusätzlich in die Karten spielen.